Die Zeit schenken heißt das Leben förden

„An keinem Ort außerhalb von Deutschland war ich so heimisch wie in Namoo!" Das schreibt Lena, eine junge Frau, die als Volontärin vier Monate einen Freiwilligendienst bei der Stiftung Regentropfen in Ghana absolvierte und mit unseren Kindern lebte, lernte, tanzte, arbeitete, weinte, lachte, und ... Lesen Sie selbst mehr.


Liebe Leserinnen und Leser, liebe Freunde der Stiftung Regentropfen,
In diesem Artikel möchte ich Ihnen von meinem Freiwilligendienst in Ghana erzählen. Ich bin Lena, 20 Jahre alt und habe im Juni 2014 mein Fachabitur bestanden. Nach meinem Schulabschluss stand für mich schon lange fest, dass ich hilfsbedürftigen Menschen in einem Dritte-Welt-Land helfen möchte. Die Liebe zur Arbeit mit Menschen habe ich bereits früh während diverser Praktika im sozialen Bereich entdeckt - ob mit Kindern, Kranken oder Hilfsbedürftigen.
Im Herbst 2014 bin ich über die Stiftung Regentropfen- Bildung zum Leben darauf gekommen, einen vier monatigen Freiwilligendienst in Ghana zu absolvieren. Nachdem ich mich mit Pater Moses in Brannenburg das erste Mal getroffen hatte und seinen Vortrag über das Projekt hörte, ging mir die Stiftung und ihre Visionen für junge Menschen in Ghana nicht mehr aus dem Kopf. Somit stand für mich fest: Ich möchte in den Norden Ghanas, mit den Kindern arbeiten und gemeinsam mit der Stiftung versuchen, ihnen einen Weg aus der Armut zu ermöglichen. Mit einer anderen Freiwilligen und noch dazu meiner besten Freundin reiste ich Anfang November 2014 nach Ghana.
Zu Beginn meines Aufenthaltes lernte ich das Leben in Accra kennen. Ich begleitete eine der ghanaischen Mitarbeiterinnen der Stiftung Regentropfen im Süden von Ghana bei Ihrer Arbeit. So entwickelten sich meine ersten Eindrücke einer afrikanischen Stadt. Ich war von der Andersartigkeit des Landes begeistert. Mich faszinierte die Sprache, die wild gestikulierenden Menschen auf der Straße, die in bunte Kleider gehüllten Frauen, die elegant Gefäße auf ihrem Kopf balancierten und die gesamte Lebenseinstellung der Ghanaer. Ich war überwältigt von der Kultur, den Menschen, den Sitten und Bräuchen. Ich brauchte eine ganze Weile, um diese vielfältigen ganz neuen Eindrücke und Erlebnisse zu verarbeiten. Kurz gesagt: Ghana ist eine komplett andere Welt, als wir Deutsche es gewohnt sind.
Lena mit Kindern in NamooDoch sobald ich im Norden Ghanas angekommen war wusste ich, dies ist der Ort, an dem ich arbeiten und meine vier Monate verbringen möchte. Meine Kollegen gaben mir von Anfang an das Gefühl, willkommen zu sein; so konnte ich mich relativ schnell einleben und einen guten Arbeits-Rhythmus finden. Der Süden und Norden Ghanas unterscheiden sich im Wesentlichen dadurch, dass die Armut im Norden viel größer ist, als in den südlicheren Teilen des Landes. Das Dorf in dem ich gearbeitet habe heißt Namoo und befindet sich im nördlichsten Teil Ghanas, zur Grenze nach Burkina Faso. Die Menschen dort leben in einfachen Lehmhütten ohne fließend Wasser oder Elektrizität. Selbst kleine Krankheiten stellen für die Familien ein Problem dar, da die fehlende medizinische Versorgung, aufgrund des geringen Lebensstandards oft dazu führt, dass viele Menschen in sehr jungen Jahren sterben.
Die Schützlinge der Stiftung sind oft Waise oder Halbwaise, die bei anderen Familienmitgliedern oder näheren Verwandten untergebracht sind. Eine meiner häufigsten Aufgaben war es, die Kinder zuhause in ihren Familien zu besuchen, um ihre Familiengeschichte zu hinterfragen, ihre schulischen Leistungen zu beobachten und sich zusammen mit ihnen ihren sozialen und schulischen Herausforderungen zu stellen .Nach jedem Hausbesuch schrieb ich einen Bericht über die Gesamtsituation des Kindes; den Bericht leitete ich anschließend nach Deutschland an Pater Moses und an die Patenbetreuerin der Stiftung weiter, die dann wiederum die Paten über die Fortschritte der Kinder informiert. Von allen rd. 170 Kindern/Jugendlichen, die von der Stiftung Regentropfen betreut werden, haben 72 eine deutsche Patenfamilie, die es dem Schützling ermöglicht, regelmäßig zur Schule zu gehen oder andere lebenswichtige Dinge zu finanzieren. Ich beobachtete mit meinen KollegInnen zusammen die Ernährungssituation der Familien, wir kümmerten uns um die Krankenversicherung der Kinder und besorgten jedem Schützling eine individuelle Schulausstattung.
Eine weitere Aufgabe meines Freiwilligendienstes bestand darin, die Kinder zwei Mal die Woche in Englisch und Mathematik zu unterrichten. Als „Lehrerin" entdeckte ich für mich, wie viel Spaß mir das Unterrichten von Kindern unterschiedlicher Altersgruppen machte. Zu Beginn des Unterrichts bekamen die Kinder meistens Arbeitsblätter zu unterschiedlichen Themenbereichen, welche ich am Vortag oder vor dem Unterricht gestaltet hatte. Die größte Herausforderung beim Unterrichten für mich war die Sprachbarriere zwischen den Schülern und mir. Die Schüler haben einen unterschiedlichen Bildungsstand, viele sind noch nicht altersgemäß entwickelt und die meisten von Ihnen sprechen nur wenig Englisch. So musste ich mir mit Händen und Füßen und natürlich auch mit der dort gesprochenen Sprache behilflich sein. Dennoch war dies eine meiner Aufgaben, welche mir am meisten Spaß gemacht hat. Nach jedem Unterricht spielten wir mit den Kindern, unternahmen auch kleine Ausflüge oder arbeiteten an Projekten. Auch das Schreiben von kleinen Briefen der Schützlinge an ihre Paten in Deutschland war sehr amüsant und oft sehr anrührend. Zusätzlich fiel noch einiges an Büroarbeit an. Jeden Montag und Freitagvormittag hatten wir Meetings mit allen Mitarbeitern der Stiftung im Büro in Bolgatanga. Diese Arbeitstreffen im Team dienten dazu, uns auszutauschen, die erledigte Arbeit zu evaluieren und die ausstehende Arbeit zu strukturieren. In unterschiedlichen Erfassungsbögen trug ich Informationen über die Schützlinge zusammen, die dazu dienten, den weiteren Bedarf der Kinder im Auge zu behalten und im ständigen Austausch mit dem Stiftungsvorstand und unseren deutschen Arbeitskollegen weitere Schritte zur schulischen Entwicklung der Schützlinge abzustimmen.
Doch nicht nur ich half den Kindern, sondern auch sie haben mir einiges auf meinem Weg mitgegeben, wofür ich sehr dankbar bin. Trotz ihres teils erbarmenswürdigen Lebens, ihrer Not und der Armut habe ich noch nie solch glückliche Kinder gesehen wie die Kinder im Norden von Ghana. Ich habe oft gespürt, dass besonders die kleinen Kinder, insbesondere Waise, die fehlende Zuwendung, Nähe und Aufmerksamkeit, die sie zuhause nicht bekommen, bei mir gesucht haben. Sie waren für mich - jeder einzelne - etwas ganz besonderes. Ich versuchte, ihnen ein Gefühl zu geben, dass jeder von ihnen individuell auf seine Art und Weise wichtig, ganz besonders und wertvoll ist.
Aber nicht nur die Mitarbeiter und die Kinder hatten mich und ich sie von Anfang an ins Herz geschlossen. Sondern auch alle Dorfbewohner haben mich herzlichst empfangen. Bei jedem meiner Versuche, mich selber ihrer Kultur näher zu bringen, waren sie begeistert. Sie lachten als ich mit den Händen aß, Sie klatschten als ich ihre traditionellen Tänze tanzte, sie waren erstaunt als ich Wasser auf meinem Kopf balancierte, sie waren begeistert wenn ich ein paar Worte in ihrer Sprache sprach und sie waren fasziniert von meiner Hautfarbe. Ich fühlte mich mit der Zeit immer wohler in Namoo und zum Schluss fühlte ich mich sogar heimisch, wie an noch keinem anderen Ort außerhalb von Deutschland.
Ich bin sehr dankbar dafür, dass es mir ermöglicht wurde, in die Welt „Ghanas" einzutauchen, dass ich mit den Kindern, mit den ghanaischen Kolleginnen wie auch mit Nora, meiner Freundin und anderen Volontärin arbeiten und meinen Horizont erweitern durfte. Und darüber hinaus ist es einfach schön zu beobachten, wie die Stiftung durch neue Projekte und immer mehr Patenschaften wächst und wieviel Gutes dadurch in Ghana entsteht – nämlich eine Zukunft für die Jugend, in der sie eine echte Chance Leben hat.
Jeder gesunde Mensch kann durch seine eigenen körperlichen Fähigkeiten und Talente einem hilfsbedürftigen Menschen ein Lächeln auf das Gesicht zaubern und Freude mit ihm teilen. Niemand ist dafür zu arm, zu klein, zu gering; jeder Mensch hat viel zu geben und darin bewahrheitet sich das Motto der Stiftung Regentropfen: Jeder Tropfen zählt ... !

Lena